Wir alle leben in einer Form der Dualität: Zwischen Licht und Schatten, Vertrauen und Angst, Liebe und Ablehnung, Toleranz und Wertung, Wärme und Kälte. Ohne das eine können wir das andere nicht fühlen, meist befinden wir uns nicht ausschließlich auf einer Seite, sondern auf einer unsichtbaren Verbindungslinie dazwischen. Manchmal stecken wir aber auch auf der einen Seite eines Pols fest, der uns auf Dauer vielleicht nicht so gut tut. Was dabei helfen kann, ist das Vorbild der Natur: Was im Winter fester Schnee ist, fließt als Wasser im Frühjahr über unsere Erde und steigt als feinstofflicher Dunst in der Sommerhitze in die Atmosphäre auf. Zwischen Wärme und Kälte gibt es also fließende Übergänge. Die Dualität löst sich somit quasi auf oder enthält eine Verbindung, in diesem Fall das Wasser.
Wenn wir fühlen, dass wir über längere Zeit in einem für uns unguten Pol feststecken, können wir uns über verschiedene Wege der Verbindung hin zu unserem positiven Pol bewegen: Über die liebevolle Verbindung zu uns selbst im Inneren, über die Verbindung zu anderen Menschen, über die Verbindung zur Natur, über die Verbindung zu unserem Glauben, unserer Spiritualität. Menschen sind NICHT IMMER so, Menschen denken NICHT IMMER so, Menschen fühlen NICHT IMMER so. Alle Menschen befinden sich im Feld der Dualität und sind in einer Form der Bewegung darin. Auch wenn dies nicht immer für uns als Mitmenschen sichtbar oder spürbar ist.
Wir leben aktuell in einer Zeit, die sehr stark physisch geprägt ist. Unser menschlicher Körper ist Mittelpunkt und zentrales Thema, jeden Tag aufs Neue, auch in unseren Medien. Betrachten wir dies aus dem Blickfeld der Polarität, so erscheint es so, dass unser Körper derzeit fast einziges Sinnbild für unsere menschliche Existenz geworden ist.
In meinem frühen Erwachsenenalter habe ich genau zu dieser Betrachtung auf den Körper eine für mich sehr erkenntnisreiche Erfahrung gemacht. Ich hatte damals mit mannigfaltigen Verletzungen als Tänzerin zu kämpfen. Jedes Mal begann ich quasi von vorne mit Therapien, langsamem Training und Muskelaufbau, nicht zu vergessen der Hoffnung darauf, dass "endlich alles vorbei sei". Nach einer weiteren Behandlungsrunde kam ich zu meinem damaligen Orthopäden, der mich ansah und mir einen Zettel in die Hand drückte mit einer Zeichnung eines gleichseitigen Dreiecks: Körper - Geist - Psyche. Er entließ mich mit diesem Zettel, ohne mich zu untersuchen. Ich musste nicht lange überlegen, dass ich mich auf einer Linie befand mit der Ausrichtung auf meinen Körper und mein Geist und meine Psyche einfach verkümmerten. Es war der Beginn meines beruflichen Wandels.
Das Dreieck ist in diesem Fall - symbolisch betrachtet - mehr als Dualität, man könnte es aber vereinfachend auf die Beziehungsebene Körper - Nicht-Körper bringen. Was wohl eine Frage jetzt und in Zukunft sein wird, ist, ob wir ausreichend dafür sorgen, dass wir uns nach all den Auseinandersetzungen mit unserer Körperlichkeit bewusster wieder in Verbindung bringen mit den Fragen unseres Geistes, unserer Psyche oder auch Spiritualität - dem Nicht-Körperlichen: Liebe, Trost, Geborgenheit, Vertrauen und Glauben.
Bleiben wir in Verbindung: Zu uns selbst, unseren Mitmenschen, unserer Erde und dem, an das wir glauben oder wohin wir uns ausrichten, wenn wir nicht mehr weiter wissen.
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